Wednesday, February 17, 2010

Ghost Writer

1997 hatte ich meinen ersten "richtigen" (also nicht Umzugs-Aushilfe/Moebelpackerin u. Co.) "Job" in NY.

Als Buerohilfe in einem italienischen Restaurant, das inzwischen schon seit vielen Jahren Bankrott gegangen ist. Die krochen damals schon auf dem Zahnfleisch, aber sie waren noch "open for business".

Und sie waren sehr um Publicity bemueht. So sehr, dass sie immer mal wieder Artikel shreiben liessen ueber ihr tolles Restaurant. Die grossen Medien waren nicht interessiert, aber so Nachbarschaftsblaettchen ("The Villager" u. Co.) schon.

Eines Tages kam mal wieder so eine PR Tusse vorbei, und meine damalige Chefin wollte der einen schoenen Artikel ueber das Restaurant geben, damit diese es an die entsprechenden "Reporter" zur Veroeffentlichung weiterleiten wuerde. Und die brauchten die Publicity, die Restaurant-Inhaber. Gott, wie sehr brauchten sie die. Denn sie krochen auf dem Zahnfleisch. Dieses tolle Restaurant, das mal sogar in einem Film benutzt wurde ("Moonstruck" mit Nicholas Cage und Cher, oder irgend so was).

Der Laden war also BERUEHMT, und ich hatte dort einen Job. Teilzeit. Als Buerohilfe. Ganz grosses Kino (no pun intended). Da ging auch der Typ, der "Angela's Ashes" (was haben wir nur heute mit den Aschen) geschrieben hat, regelmaessig hin. Ich war also unter Beruehmten. Wenn man mal davon absieht, dass ich taeglich im winzigen Buero im Hintergrund eingeschlossen war, und mit den Beruehmten so viel zu tun hatte, dass ich genauso gut in Castrop-Rauxel haette sein koennen. Kratzte mich nicht. Ich war in NEW YORK! Mensch, war das toll. Ich war auf dem Weg zur Beruehmtheit. Jawollja. War nur eine Frage der Zeit, bis ich entdeckt wuerde. Fuer was genau, weiss ich nicht. Ist ja auch egal. ENTDECKT halt, Jessesgott! Wat fragste denn so bloed.

Als die Public Relations Tante mal wieder auftauchte, sagte mir die Chefin, dass sie der kurzfristig Material fuer einen Artikel ueber das Restaurant geben muesse. Und zwar AUF DER STELLE. Es musste die ganze Geschichte des Restaurants erzaehlt sein, inklusive Film Kredite, und sonst noch einen Haufen Scheisse. Chefin gab mir ein paar Stichpunkte, die ich mir mit dem blauaeugigen Eifer des NYC-Newbies hinkritzelte. So, und nun, WEIL ICH SO SCHOEN SCHREIBEN KANN, soll ich die in verstaendlichen Saetzen zusammenfassen. Damit sie repraesentatabel waeren.

Ich war ganz aufgeregt. ENDLICH - endlich - nach x Monaten, hatte ich meinen kreativen Durchbruch IN NEW YORK! Durfte WAS SCHREIBEN! Das war eine ganz andere Welt vom Kassenzettel-vom-Vorabend-Abrechnen, was mein eigentlicher Job war. Endlich wurde mein eigentliches Talent anerkannt. Ja. Das war mein grosser Anfang. Aus mir wuerde noch mal was werden. Zwar im fortgeschrittenen Alter von 37 Jahren, aber IMMERHIN!

Ich schrieb. Nahm die hingekritzelten Stichpunkte beim Schopf, und formte sie tatsaehlich in schoene Saetze, schone Paragraphen. Denn - BEI GOTT - ich SCHREIBE DOCH SO GUT!

Gab mein Kunstwerk voller Stolz an die Chefin weiter.

Und die beeindruckte Chefin gab mein Kunstwerk an die Public Relations Tusse weiter. Als ihr eigenes.

Und die Public Relations Tusse gab mein Kunstwerk an die Reporterin weiter. Entweder als ihr eigenes, oder das der Chefin. An diesem Punkt wirds schwammig.

Dann - ein paar Tage spaeter - kam das Nachbarschafts-Blaettchen heraus. Und der Artikel stand drin.

Unter dem Namen der Reporterin.

Was ist nun daran falsch, fragt sich der vereinzelte Leser, der bisher noch nicht eingenickt ist.

Der Artikel erschien WORT FUER WORT, KOMMA FUER KOMMA, PUNKT FUER PUNKT...

genau so, wie ICH ihn geschrieben hatte.

Veroeffentlicht.

Unter dem Namen der Reporterin. Habe ich das schon erwaehnt? Also ich hatte den ganzen Text geschrieben, aber der Name der Reporterin stand darueber.

???

Kein Wort war veraendert von dem, was ich geschrieben hatte.

Auch kein Satzzeichen.

Nein. Er erschien genau so, wie ICH ihn geschrieben hatte.

Bis auf eines.

Mein Name.

Die Reporoterin wurde voll fuer meine Schreibe kreditiert.

Und was dachte ich Trottel mir damals? Ich dacchte "Ist doch GUT. Ich kann so gut schreiben, dass EINE REPORTERIN es als ihr Werk ausgeben kann. Ist ein Anfang. Immerhin. Ich werde noch mal ganz beruehmt. Man muss eben klein anfangen".

Dann habe ich viele Jahre nicht mehr an diese Sache gedacht. Aber in letzter Zeit faellt sie mir immer oefter wieder ein.

Kann es sein, dass ich damals ausgenutzt wurde?

Nun denn. Ich schreibe immer noch. Nach 13 Jahren. Und ich weiss inzwischen, dass ich mich gegen die Aasgeier in NYC nicht behaupten kann. Eine klitzekleine Kleinigkeit, die meinem 37-Jaehrigen, jungen Selbst damals nicht bewusst war.

Aber schreiben tue ich trotzdem noch.
Im Internet, auf grottigem Deutsch.

Wenn ich so darueber nachdenke, haben diese Schweine eigenttlich Glueck, dass ich mich so gar nicht kreativ DURCHSETZEN kann. Sonst wuerden sie naemlich ihr blaues - BLAUES - Wunder jetzt erleben duefen. Inzwischen.

Gelle, ihr Schweine?

Das war jetzt eine weitere Lektion zum Thema "NYC, wie es leibt und lebt. Von einer, die RICHTIG hier lebt. Bestohlen, belaechelt".

Die Schule ist aus.

3 comments:

  1. ganz schön hinterhältig ... schade das nie rauskam, dass diese Reporterin ein Schmarotzer ist/war.
    LG
    Mel

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  2. Wenn sie wenigstens meine Schreibe "nur" als Anregung genommen haette, und dann mit ihren eigenen Worten den Inhalt umformuliert haette. Das waere was anderes gewesen. So haette es naemlich angeblich abgehen sollen. So hatte man mir zu verstehen gegeben. Aber dann Wort fuer Wort abschreiben, und ohne mich zu kreditieren. Und die Chefin hatte es ja auch vorher schon als IHRE Schreibe ausgegeben. Davon, dass die bloede Buerohilfe da hinten im dunkeln Kaemmerchen das in Wirklichkeit geschrieben hat, kein Wort. Aber mit mir kann man's ja machen. Die muckt nicht auf, die braucht das Geld viel zu sehr. Faellt mir auch heute immer wieder auf. Mit mir kann man's machen, WEIL ICH UEBERHAUPT KEINE MACHT HABE.

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  3. Helene Hegemann lässt grüssen...

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