Friday, November 5, 2010

Gestatten, Normalo-hsm :)






Mir ist bewusst geworden, dass alle, gegen die ich mich immer so wehre, Recht haben: Ich bin nichts Besonderes. Im Gegenteil, ich bin auf viele (alle?) Arten ein erschuetternd normaler Normalo. Das sieht Jeder, merkt Jeder, und es hat keinen Zweck mehr, mich dagegen aufzubaeumen. Damit mache ich mir nur selber Stress. Und was ist so schlimm daran, ein Normalo zu sein? Dazuzugehoeren? Im Grunde ist das ein grosser Segen.

Schluss mit dem hausgemachten Stress! Farbe bekennen ist jetzt angesagt.

Mal sehen, auf welche Arten ich ein Normalo bin: Ich bin geschieden, habe allein meinen Sohn gossgezogen. Erschuetternd normal. Bieder verantwortungsvoll. Nix Abartiges da. Ich arbeite im wahrsten Sinne des Wortes seit Jahrzehnten, um Geld zu verdienen. Toll. Normalo. Stell dich an, damit bist du beileibe nicht allein. Was noch? Ich werde jetzt langsam aelter. Mir tun morgens die Knochen weh. Und abends auch.

Ich merke, wie meine Sehkraft nachlaesst. Alles normal. Seit ein paar Tagen trage ich im Alltag meine Brille, welche ich solange es ging, nur fuer spezielle Dinge trug. Aber jetzt kann ich mir nichts mehr vormachen. Ich bin ueber 50. Ich sehe schlechter. Na und. Damit bin ich nicht allein. Ist doch normal alles. Ich rage nicht heraus. Gestern habe ich sogar eine kleine Verbindung zu meinen Kolleginnen hergestellt, indem ich spontan laut feststellte "Mensch, diese kleine Schrift! Ohne Brille geht bei mir ueberhaupt nichts mehr! Ich glaube, ich werde alt." Und sofort kam die ersehnte Zuwendung, das Verstaendnis von Mitbetroffenen. Es umarmte mich, wie ein warmer Wollpullover im Winter, gab mir das im Grunde so ersehnte Gefuehl der Zugehoerigkeit: "Hihi, tja, davon ist keiner gefeit. Alt werden wir alle", kicherte eine Kollegin kameradschaftlich. Und eine andere meinte weise: "Solange wir uns nicht alt benehmen...". Tja, das tut gut, diese Gruppenzugehoerigkeit. Diese ewige krampfhafte Abgenzung macht doch nur Stress.

Es ist so viel stressfreier, normal zu sein. Ehrlich. Und meine verschwurbelte Innenwelt, meine komischen Ansichten - all das sieht man mir ja nicht an. Die habe ich im Alltag sowieso herzlich wenig Gelegenheit, auszuleben, diese komischen Ansichten. Und die haben dort auch nichts verloren. Die kennen nur ganz wenige Leute, und das ist auch gut so. Anpassung ist angesagt, ansonsten macht man sich selber nur kaputt.

Im Grunde hebt mich nichts von der Masse ab. Das merke ich verstaerkt, seit ich mich offen zur Brille bekenne. Endlich sehe ich klar (ha-ha, kleiner Scherz, klarsehen, Brille, koestlich, den muss ich mir merken): Ich bin eine ganz durchschnittliche mittelalterliche Frau mit einem ganz durchschnittlichen Leben, und Leute moegen mich deswegen manchmal. Ist doch in Ordnung. Vor zwei Tagen in der U-Bahn hat mich ein mittelalterlicher Mann angelaechelt. Warum, weiss ich nicht. Vielleicht habe ich ihn an seine Frau erinnert, oder an die "Maedels" seiner Frau. Meine Arroganz, dass der mich irgendwie fuer eine Tolle Junge gehalten haben wuerde, ist vorbei. Ich weiss, das bin ich nicht mehr, und da mache ich mir nichts mehr vor. Es ist so entspannend, sich den Tatsachen zu stellen. Und ebenfalls diese Woche: Ich will die Strasse ueberqueren, und gucke, ob's frei wird. Blinzle in die Sonne. Meine Sonnenbrille fehlt mir, aber mit der "richtigen" Brille sehe ich viel besser. Neben mir steht eine Frau von Mitte-Ende 50. Graue Haare, voll dazu stehend. Sie laechelt mich an. Sie hat mich als eine ebenfalls mittelalterliche Frau erkannt, und non-verbal unser Verbuendnis bestaetigt: Ja, auch wenn die Welt uns nicht mehr sieht, WIR erkennen uns gegenseitig als Mitglieder des ein und desselben Clubs! Fuehlt sich gut an. Ich laechele zurueck. So ein Erlebnis haette ich nicht gehabt, wenn ich arrogant die Welt ausschliessend und meine Augen versteckend weiterhin mit Sonnenbrille durch die Welt gestiefelt waere. Das waere dann mein Verlust gewesen.

Das Leben ist so reich! Wie blind bin ich gewesen, mich gegen die Tatsachen und die tollen Menschen, mit denen ich so viel gemeinsam habe, aufzubaeumen! Ich bin normal! Hurra! Ich muss nicht mehr kaempfen. Ich darf mich jetzt endlich entspannen. Eine ungeheure Erleichterung.

[Ab, mit Luftsprung ins Wochenende]

(PS. Das erste Bild kommt mir im Nachhinein bekannt vor. Ich glaube, das habe ich schon mal bei BrigitteWoman gesehen...)

9 comments:

  1. Was hast du genommen/geraucht? Ich will das auch ... oder lieber doch nicht :-)
    LG Karin

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  2. Wie, darf ich nicht auch mal NORMAL sein!?!

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  3. Nein!!! Das passt nicht zu dir und langweilt mich.
    Außerdem bedeutet normal für jeden etwas anderes, sorry!
    Karin

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  4. dieser Beitrag ist für Dich definitiv nicht normal *g*
    LG
    Mel

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  5. Sorry, Leute, der Eintrag ist vom Grundgedanken her schon ernst gemeint (daher das fehlende Label "buddha hsm"). Obwohl mir dann beim Schreiben zugegebermassen die Pferde etwas durchgegangen sind^^. Mir faellt naemlich auf, dass ich in meiner ueblichen negativen, zynischen Manier nicht weitermachen kann im Leben, weil ich sonst auf dem besten Weg bin, eine verknoecherte Alte zu werden. Nix fuer ungut.

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  6. diese Art "Diplomatie" war es doch, die Du vor nicht allzu langer Zeit vehement abgelehnt und zerrissen hast ....
    Ungläubige Grüße
    Mel

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  7. Im Gegenteil, Mel. Ich hatte im vergangenen Jahr schon mehrmals damit angefangen, und es dann leider doch wieder sein lassen... es hoert sich vlt. kitschig an, aber wenn man mal einen anderen Blick annimmt, sieht man viele angenehme kleine Ueberraschungen, die einem sonst entgangen waeren. Z. B. war da vor kurzem - ebenfalls an einer Ampel - eine alte (so 65-70) Frau mit einem Hund an der Leine. Ich hatte die Brille auf (NICHT meine uebliche Sonnenbrille also), mich in voller mittelalterlicher Pracht gezeigt, und die Frau angesehen. Sie sah nett aus, hat mich freundlich angegrinst mit einem Gesicht voller Falten. Dann hab ich dem Hund einen freundlichen Blick zugeworfen. Der war suess... so ein Pudelmix, schwarze Locken, ziemlich gross. Auf einmal hat er auf ganz freundliche Art mit seiner Nase mein Bein angestupst. Die Frau grinste mich an, und sagte "der will Ihnen ein Kuesschen geben". Das fand ich irgendwie lieb. Ich hab ihr dann noch ein nettes Kompliment ueber den Hund gemacht. ("Der ist so suess". Nicht besonders einfallsreich, ja. Irgendwie bin ich mit Komplimenten ein bisschen rostig. Freche Bemerkungen gehen mir viel geschmierter ueber die Lippen. Alles eine Sache der Uebung^^). Solche Sachen koennen einem echt den Tag versuessen. Nicht meine typische Art, aber ein bisschen Menschwenfreundlichkeit im typischen hsm-Mix kann nicht schaden, finde ich. Erleichtert das Leben, vor allem jetzt, in der dunkeln Jahreszeit.

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  8. man kann sich ja auch einfach mal ein bisschen neu erfinden, warum nicht :)
    Mel

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  9. Mit Schwerpunkt auf "ein bisschen". Uebertreiben werde ich's nicht - meine ungezogene Seite wird garantiert nicht abhanden kommen. Frau Z. arbeitet im Moment heftigst daran, diese aus mir rauszukitzeln.... Montags ist es mit der Selbstdarstellung ja bekanntlich immer besonders schlimm.... und sie hat gerade eine Episode, einen Anfall, oh Gott.... RUHE!!!!! Ommmmmmmmm ommmmmmmmm ommmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmmm

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