Es ist auffallend, wie taufrisch und entspannt ich morgens aussehe, und wie mitgenommen dann nach ein paar Stunden in dem Saftladen/mit bestimmten Kollegen. Die Bilder von gestern illustrieren das sehr schoen. (Die paar Glaeschen Wein hatten nur das Geringste damit zu tun - es ist jeden Tag so.)
Ich merke das staendig, denn ich gucke gerne und oft in den Spiegel. Und seelischen Stress sieht man mir sofort im Gesicht an. Sofort. Habe es gerade wieder gemerkt. Bin seit heute morgen 5 Jahre gealtert. Und das ist noch eine gnaedige Einschaetzung.
Ich kann aber nicht weg. Habe vor kurzem mal Bilanz gezogen: Die Vorteile des Jobs ueberwiegen ueberwaeltigend (komische Formulierung, aber ich kann im Moment nix Besseres...) Das Einzige, was negativ ist, sind die kleinlichen Persoenlichkeitskonflikte, die sich im letzten Jahr in die Stratosphaere gesteigert haben. Das ist nur eine negative Sache vs. 10+ positiven Sachen. Also eindeutig, oder? Vor allem, wenn man bedenkt, dass ich woanders sicherlich auch irgendwelchen komischen Persoenlichkeiten ausgesetzt waere, vielleicht sogar noch schlimmer, und moeglicherweise ohne all die Vorteile, und ohne wenigstens das bischen Stand, das mit einer halbwegs langjaehrigen Mitarbeiterschaft kommt. Zu allem Ueberfluss waere ich dann auch noch "die Neue", und muesste Spielchen spielen und in Aersche kriechen.
Ich weiss, dass ich mich hierher zuruecksehnen wuerde. Solche impulsiven Fehler habe ich schon oefter im Leben gemacht. Dadurch bin ich etwas aengstlicher geworden. Ich mag das nicht an mir, aber es ist Tatsache. Ich werde es auch nicht verschoenigen, indem ich es "weiser", "erfahrener", "klueger", o. Aeh. Kotziges nenne. Ich bin aengstlicher geworden, und weniger risiko-freudig. Ich bin vorsichtiger geworden, denn ich weiss mehr, als ich wissen will, oder als mir guttut. Das ist etwas Negatives, und es irgendwie in einen "Vorteil", eine "Tugend", oder so was zu verdrehen, waere nur beleidigend. Langer Rede kurzer Sinn: Diesen Job fuer einen anderen zu verlassen, wuerde keinen Sinn machen. (All das natuerlich davon ausgehend, ob ich ueberhaupt was anderes finden wuerde, was in der heutigen Zeit sehr fraglich ist...)
Wegen kleinlicher Persoenlichkeitskonflikte verlaesst man keinen Job, bei dem sonst alles stimmt. Btw, es ist nicht nur Frau Z. und ihr Scheiss. Eine andere Kollegin, deren Bereich sich mit meinem kaum ueberschneidet, hat im letzten Jahr ein bischen Autoritaet bekommen, gekuppelt mit einer Mid-Life-Crisis, und totalem Fehlen von Menschenkenntnis. Und die hat mich als ihr Versuchskaninchen auserkoren, ihre "Autoritaet" zu "ueben". Vom Chef abgesegnet. Bei dem habe ich mich mal Anfang des Jahres beklagt, da hiess es, der habe ich zu gehorchen. Und sie nutzt es gnadenlos aus. Ich bin es gewoehnt, meine Arbeit unabhaengig zu machen, mein eigener Herr zu sein. Je mehr ich in Ruhe gelassen werde, und das Gefuehl habe, dass ich (innerhalb meines Aufgabenbereiches) selbstbestimmt bin, umso produktiver werde ich. Je mehr ich beobachtet werde, und hereingeredet bekomme, umso schneller mache ich dicht. Aber die Leute, die selber am meisten davon profitieren koennten, das zu erkennen (in Form einer extra-zuvorkommenden, produktiven, hilfsbereiten, gluecklichen hsm), die erkennen das nicht. Und wuerden auch nicht danach handeln, wenn sie es erkennen wuerden. Dafuer ist das eigene Ego, und das Beweisen-Muessen irgendwelcher "Fuehrungs-Talente" zu extrem.
Ich kann aber mein eigenes Ego nicht um des Friedens willen wegstecken, und die Dinge abhaken. Darum bin ich hier seit fast einem Jahr permanent miserabel. Ich durchschaue so vieles, muss dieses Wissen aber herunterschlucken. Da koennen die Vorteile noch so toll sein, die "kleinlichen" Persoenlichkeitskonflikte ueberschatten alles was positiv ist. Nur noch sie existieren. Was interessiert mich die tolle Krankenversicherung in dem Moment, wo ich mal wieder oeffentlich abgekanzelt werde, und mir von einer Person in meine Arbeit hineinreden lassen muss, die sich wirklich nicht damit auskennt, aber so tun muss, als ob - auf meine Kosten? Der Tag ist gelaufen. Da kann der bezahlte Urlaub noch so grosszuegig sein, das Gehalt noch so toll im Vergleich zur selben Arbeit in anderen Firmen. Der Tag ist gelaufen. Basta.
Jetzt werde ich 10 Tage hier wegkommen. Ich werde aufleben. Ich werde bei guter Laune sein. Vielleicht nicht sofort, es wird sich aber nach ein paar Tagen so einpendeln. Und gerade, wenn ich mich rundum anfange, wie ein Mensch zu fuehlen, wird die Verschnaufpause vorbei sein. Mir wird es schon tagelang vorher davor grauen. Ich werde jammern, ungluecklich sein, alles in mir wird sich dagegen straeuben. Und dann.... werde ich wieder hierherkommen. Denn mir ist dieses Jahr zum allerersten Mal etwas bewusst geworden: Ich muss arbeiten, fuer's Geld. Mir bleibt nichts anderes uebrig. Wenn der grosse Burnout kommt, kann ich nicht eben mal mir ein paar Monate frei nehmen, auf was anderes umsatteln, oder ganz aufhoeren. Noch nicht mal 6 Wochen in Kur fahren (Winke an Deutschland und sein Sozialsystem, ueber das trotzdem immer gejammert wird.)
Mag sein, dass das schon immer so gewesen ist, dass ich wegen Geld sowieso arbeiten "muesste". Aber es war sekundaer. Die Frage hat sich nie gestellt. Denn - ich habe schon immer freiwillig und gerne gearbeitet. Aus Erfuellung. Um mich als ganzer Mensch zu fuehlen. Dass ich es vielleicht sowieso tun "muesste", um zu leben, die Frage hat sich also nie gestellt. Weil ich es ja wollte, und zwar unabhaengig davon, ob ich "muss" oder nicht. Jetzt komme ich mir zum ersten Mal vor wie ein Loser. Mir wird zum ersten Mal bewusst, dass sich das "ich will arbeiten, weil es mir Spass macht" auch mal aendern kann. Und ich dann trotzdem weitermachen muss. Wegen des Geldes. Und so Sprueche wie "so geht es doch viiiiiiiiiiielen" machen es nicht besser. Sondern schlimmer. Aber ich erwarte nicht, dass das jemand versteht. Mit 50 fange ich langsam an, mich von der Hoffnung zu verabschieden, dass mich noch je im Leben jemand VOLL UND GANZ verstehen wird. Nicht nur mal hier und da ein Teilchen von mir, sondern das ganze Paket. Dafuer ist meine Lebensgeschichte zu fragmentiert. Aber das ist ein anderes Thema.