Saturday, December 26, 2009

Angst

Es ist mitten in der Nacht, und ich habe voll die Panik. Es ist mir egal, ob ich mich jetzt verletztlich mache, oder wer da mitlesen koennte, ich muss es aufschreiben, um hoffentlich etwas Klarheit in meinen Kopf zu bekommen.

So schnell wie 2009 ist noch kein Jahr vorbeigeflogen. Weil es vollkommen ereignislos war. Es entwickelt sich einfach nichts mehr weiter in meinem Leben. Auch 2007 und '8 gingen in diese Richtung, aber dieses Jahr hat sich das alles irgendwie manifestiert.

Meine Guete, Leute. Ich bin 50. In letzter Zeit habe ich darueber nicht mehr soooo viel nachgedacht. Nachdem der grosse Tag endlich vorbei war, ist das ganze Thema "50 werden bla bla bla" ziemlich schnell fuer mich abgeklungen, und unter anderen Alltagsdingen in den Hintergrund gesunken. Aber im Zusammenhang damit, wie ereignislos und darum SCHNELL dieses Jahr vorbeiplaetscherte, ist es ploetzlich wieder Thema fuer mich. Was ist wenn die mir verbleibenden Jahre jetzt alle so werden? Auf was kann ich noch hoffen im Leben? Ich haenge so sehr fest. Und je mehr ich festhaenge und je weniger sich ereignet, umso mehr scheint mir die Zeit davon zu rennen. Langsam kommt es mir vor, als wuerde ich werden wie die ganzen alten Schachteln und Co., die schon 30, 40 Jahre im gleichen Job sind, in der gleichen Privatsituation sind, ohne Veraenderungen. Diese, denen die Dekaden davonrennen. Weil sich nie etwas aendert in ihrem Leben. Beispiel: Eine Kollegin, die nur ein oder zwei Jahre aelter ist als ich (eine einigemassen Nette, mit der ich weniger zu tun habe, warum sind das immer die Nettesten, faellt mir lansam auf...), hat letztens erzaehlt, dass sie seit 31 Jahren in der Firma ist. Im gleichen Job. Seit 31 Jahren. Das waere 1978. Ich muss unwillkuerlich darueber nachdenken, wo ich 1978 war (in der 13. Klasse, in Deutschland), und was sich in meinem Leben seitdem so alles ereignet hat. Oft ging es Schlag auf Schlag. Grundlegende Umwaelzungen innerhalb von ein paar kurzen Jahren. Grund.Legende. Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass es Leute gibt, fuer die die selben Jahre EIN EINHEITSBREI waren. Und viele auf meiner Abteilung sind so. Die meisten eigentlich. Man sieht Leute (maennlich und weiblich), die eigentlich nicht sooo alt aussehen (ich rede jetzt nicht von "meinen" unmittelbaren alten Schachteln, sondern von Leuten, die als eine etwas "hoehere Qualitaet" habend rueberkommen), und dann erzaehlen sie, sie machen seit 30 Jahren genau das Gleiche. Und ich rechne dann immer im Kopf, was ich in dem betreffenden Jahr gemacht habe, wo ich war, was seit dem passiert ist. Und der Vergleich haut mich dann immer aus den Socken.

Nun habe ich Angst, dass meine verbleibenden Jahre genauso werden. Die Zeit rast in den letzten 3 Jahren oder so, WEIL ALLES GLEICH BLEIBT. Ich kann ein Jahr kaum noch von dem vorhergehenden, und dem DAvor, unterscheiden. Dieses Jahr kommt noch dazu, dass ich einen gewissen "Status", den ich eigentlich als selbstverstaendlich hinnahm, bedroht sehe, und nichts, aber auch gar nichts, dagegen machen kann. Die zunehmende Entmuendigung im Job ist da natuerlich die Hauptsache. Aber es trifft auch auf noch ein paar andere, weniger wichtige Sachen zu. Ich kann mich nicht dagegen wehren. Das ist das Schlimmste. Wenn ich aufbegehre, bekomme ich noch eins auf den Deckel. IST DAS JETZT FUER DEN GANZEN REST MEINES LEBENS SO????? Ich bin 50, und muss mich zunehmend wie ein kleines Kind behandeln lassen, und dann noch brav Maennchen machen, weil meine Existenz davon abhaengt. Ich hatte mehr Stand und Selbstbewusstsein mit 30, 40, 45. Und wenn ich es mit unter 30 nicht hatte, dann war der SEHR GUTE GRUND, dass ich eben noch jung war, und gerade erst angefangen hatte, mein Leben aufzubauen. Und jetzt entwickeln sich die Dinge wieder dahin zurueck. Nur mit dem Unterschied, dass ich jetzt alt bin, und zum Aufbauen von irgendwas bleibt weder noch viel Zeit, noch habe ich die Mittel. Ich sehe mein letztes Fetzelchen Jugend davonschwimmen, und weiss genau, dass ich diese Jahre noch mir so gut wie moeglich zunutzen machen sollte zu meinem Wohlergehen. Aber ich muss zusehen, wie aeussere Umstaende mich davon abhalten, und ich hilflos zusehen muss, wie ich diese Jahre kurz vor dem "richtigen" Alter - diese Galgenfrist - verschwende.

Die fehlende Altersdiskriminierung im Amiland, die mich manchmal vergessen laesst, wie alt ich eigentlich schon bin, hat naemlich auch eine Kehrseite: MAN BEKOMMT AUCH KEINE VORTEILE EINFACH AUFGRUND DES ALTERS. Wenn man in einem niedergestellten Job ohne Aufstiegsmoeglichkeiten ist, und aufgrund von verschiedenen aesseren Umstaenden ploetzlich jemand entscheidet, dass man VON JETZT AN GENAUSO NIEDER BEHANDELT WIRD, WIE MAN EIGENTLICH IST (auch wenn man in den ganzen Jahren davor faelschlicherweise sich vormachen konnte, man waere irgendwie "autark") - dann koennen die das. Sie koennen es, weil sie technisch "im Recht" sind, und ein kleiner Wurm wie ich MUSS GUTE MIENE ZUM BOESEN SPIEL MACHEN.

In meiner Privatsituation haenge ich z.g.T. genauso fest. Vieles stimmt nicht, aber ich muss gute Miene zum boesen Spiel machen, oder die Konsequenzen tragen. Ein Neuanfang hoert sich so gut an. Theoretisch. Aber aus vielen Gruenden geht das nicht. Ich gehoere nicht zu den Leuten, die - mit Partner und Geld ausgestattet - es mit 58 (oder was weiss ich) in den Kopf bekommen, jetzt noch mal in Neuseeland (Beispiel aus der Luft gegriffen, aber es gibt sie, diese Leute) einen Neuanfang zu machen, und das dann auch durchziehen. Durchziehen KOENNEN. Ich habe die Mittel nicht, um mich hier nochmal herauszuziehen. Ich haenge fest. Basta. Wenn ich von Mitteln reden, meine ich nicht nur Geld. Mein Selbstbewusstsein ist im Eimer. NY hat meine Seele zerstoert. Dreizehn Jahre hier haben irgend etwas in mir abgetoetet.

Was ist, wenn die naechsten Jahre so schnell vorbeigehen (wegen Fehlen von stimulierenden, Selbstbewusstsein-aufbauenden Veraenderungen), so einheitsbreiig werden, wie die letzten 2 oder 3? Bevor ich weiss, wie mir geschieht, bin ich dann 60. Manchmal vergesse ich das. Nur weil ich nicht wie 50 aussehe, lebe, denke, mich verhalte.... DIE JAHRE SIND TROTZDEM VORBEI. Ich werde nicht juenger. Und meine Zukunft ist keineswegs abgesichert. Ich kann - und werde allem Anschein nach - mal sehr unwuerdig enden. Bevor ich daran denken muss, koennte ich die kommenden Jahre noch etwas "verlangsamen", indem ich ihnen etwas Bedeutung gebe, irgendetwas bewege. Aber es gibt nichts zu bewegen. Alles haengt fest. Ich habe Angst.

PS. Und das ist noch das "beste" Szenario. Naemlich das, das davon ausgeht, dass ich meine Gesundheit behalte. Gar nicht einkalkuliert habe ich hier, was mit mir passiert, wenn ich diese verlieren wuerde. Das KANN ich gar nicht einkalkulieren. Dann waere naemlich alles zu Ende. Wie so vieles im Leben, wuerde *mich* eine solche Situation schlimmer treffen, als sie andere Gleichbetroffene trifft, egal was immer gesagt wird, vom gleichen Boot und bla bla bla. Mir fehlen die Mittel, mit vielem umzugehen im Leben. Bisher hatte ich immer Glueck, denn es war Menschlichkeit in meinem Leben, in meinem Umfeld. Die gibt es nicht mehr. Es gibt einfach keinen Raum fuer Notfaelle. Es gibt noch nicht mal Raum fuer den "besten" Fall, das einfache, notfallfreie Altwerden.

Edit: Es ist so qualvoll, wenn man sich zwar innerlich staendig weiterentwickelt, aber auf einmal seine aeusseren Umstaende dieser inneren Entwicklung nicht mehr anpassen kann. Sich vielmehr Umstaenden anpassen muss, aus denen man innerlich schon laengst herausgewachsen ist. Doppelt unwuerdig ist das, wenn es in einem Alter passiert, wo doch eigentlich genau das Gegenteil der Fall sein sollte. Bei mir ist eben alles umgekehrt. Ich habe mein Leben in den 20ern, 30ern, und die erste Haelfte der 40er staendig veraendert, bin immer meinem inneren Kind gefolgt, anstatt mich von angeblichen "Pflichten" von irgend etwas abhalten zu lassen, das ich wollte. Das sind die Jahre, wo andere brav ohne zu denken ihr "Leben" abklappern. Und die sehen dann mit 50 eine potentielle "Freiheit" von dem Einheitsbrei, der ihr Leben bisher war. Darum bei denen dieses ganze "ach wo sind die Jahre hin" Gejammer, das ich bis vor ca. 3 Jahren nie nachvollziehen konnte. Wo die letzten 3 Jahre hin sind weiss ich naemlich nicht. Die waren ein Einheitsbrei. Kann nicht festlegen, ob etwas in 2007, 8, oder 9 stattgefunden hat, weil es keinen Unterschied, kein Wegweiser-Ereignis gab. Unertraeglich ist das, und der Gedanke, dass viele ihr ganzes Leben so "leben" geradezu absurd. ("War das jetzt in den 70er oder 80er Jahren?" Kein Unterschied zwischen einer Dekade und der anderen. Mit 50 noch das Gleiche wie mit 20 machend. Undenkbar.)

Bei mir ist es wie immer umgekhrt. Ich muss daran denken, dass ich das alles ja HATTE. Das ganze "Bewegen", "Alles hinwerfen und nochmal anfangen", mich von Zwaengen befreien, und bla bla bla. Eben all das, was die meisten erst im Mittelalter in den Kopf bekommen. Ich hatte es. Sogar mehr als einmal. Nur in jungen Jahren halt, und das ist jetzt halt vorbei, das Leben fordert seine ausgleichende Gerechtigkeit.


Nochmal Edit: Zum Glueck ist das eines meiner typischen bla bla bla Postings. Was heisst, dass sich kaum einer durchwuehlen wird, denn ... "es ist ja doch immer dasselbe". Warum 'zum Glueck'? Weil ich da so viele unklare Formulierungen drinhabe, und das ganze ueberhaupt ziemlich wirr rueberkommt, dass man 1. schon sehr vorsichtig lesen, und 2. ein ganz kleines bischen ueber meine Hintergrundgeschichte Bescheid wissen muss, UM NICHT ZIG TAUSEND DINGE FALSCH ZU VERSTEHEN, und was ganz anderes zu "lesen", als das, was ich wirklich sage. Wenn ich mir vorstelle, wie irgendwelche Leute da etwas falsch verstehen, weil sie nicht richtig lesen, finde ich es tatsaechlich gut, dass man solche Erguesse meistens ganz ignoriert. Um mir meine Worte im Mund herumgedreht zu bekommen, dafuer ist mir das Thema naemlich zu wichtig.