Tuesday, May 15, 2012

Ironie vom Feinsten

Eigentlich bin ich ja kein Fan von schlechtem Wetter. Und kann Leute von der Sorte "Ich liiiiiiiiiebe den Regen! Da gehe ich immer absichtlich raus, am liebsten mit dem Hund im Wald spazieren!" nicht richtig nachvollziehen. Nein. Ueberhaupt nicht. "So ein wolkenverhangener Himmel hat doch eigentlich was Schoenes." Ja, ja. Sonnenschein gefaellt jedem, um einen regnerischen Wolkenhimmel schaetzen zu koennen, bedarf es schon einer ganz besonderen Seele. Einer hochkomplizierten, sensiblen Seele, die hinter den Tellerrand gucken kann (oder wie all diese bloeden neudeutschen Ausdruecke, die es zu meiner Zeit noch nicht gab, heissen). Verstehe. Auch wenn ich als bekennender 08/15-Sonnenfan ansonsten ziemlich dumpf bin.

Nun gibt es ein paar Ausnahmesituationen, wo mir Regen tatsachlich gefaellt. Z. B. als Hintergrund Geraeusch am Computer oder Kopfhoerer. Da koennte ich mir den Regen stundenlang anhoeren, und quasi fuehlen, wie sich meine strapazierten Nerven glaetten. Nun war heute mal wieder so ein Fall, wo ich gemerkt habe, gleich werde ich aergerlich, lieber schnell die Entspannungsgeraeusche auffahren, damit ich nicht wieder - wie gestern, z. B. - ein unschuldiges Opfer anschnauze.

Also schnell I-Pod herausgezerrt, Ohrstoepsel rein, Regen-App schnell fummelnd gesucht. Es ging um Leben und Tod. Langsam komme ich wieder runter. Mit Haengen und Wuergen. Und kuenstlichem Regen.

Dann gehe ich zufaellig an einem Fenster vorbei: Der gemuetlichste Nieselregen faellt draussen. Ich sehe ihn, auch wenn ich ihn nicht hoeren kann, denn die Fenster kann man in diesem Buerohaus nicht aufmachen. Das geht nicht, da koennte ja Luft reinkommen, wo kaemen wir denn da hin ("frische" Luft waere sicher uebertrieben, hier in den Strassenschluchten des suedlichen Viertels von Manhattan, aber wenigstens Luft, die nicht kuenstlich produziert wird*).

Die Ironie ist nicht an mir verloren gegangen: Da sitze ich eingebunkert und hoere mir kuenstlichen Regen zur Entspannung an waehrend der TATSAECHLICHE Regen hermetisch ausgesperrt wird. Zu Hause koennte ich das Fenster aufmachen, den ECHTEN Regen tatsaechlich HOEREN, und sogar RIECHEN. Als angenehmen Waldgeruch, wie er immer von den Gaerten hinter meiner Wohnung kommt, wenn's feucht ist.

Stattdessen bin ich in einer Situation, wo ich mir kuenstliche Natur mache, waehrend die ECHTE indentische und zeitgleiche Naturerscheinung mutwillig AUSGESPERRT wird.

Ich sage das keinem, das wuerde ja doch keiner verstehen im Saftladen. Die Leute hier sind so bloed, dass ihnen solche Sachen gar nicht auffallen. Ich schreibe es nur in diesen Blog. Jetzt aerger ich mich wieder, aber macht nix. Ich habe ja zur Entspannung meinen kuenstlichen Regen.

*ich weiss, wie die umweltbewussten Deutschen solche Themen lieben, darum habe ich das bei der Gelegenheit extra einfliessn lassen. Bin ich nicht nett? :)

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