Dass NYC nicht der Schmelztiegel ist, als den es immer wieder dargestellt wird, ist mir eigentlich schon in meinen ersten Wochen hier aufgefallen. Und meinem damals noch nicht 13-jaehrigen, aufgeweckten Soehnchen ebenfalls. ("Mama, ist es nicht komisch, dass es hier eigene chinesische Nachbarschaften gibt? Italienische Nachbarschaften? Juedische Nachbarschaften? Schwarze Nachbarschaften? Warum leben die nicht alle untereinander vermischt, wie sonstwo auch???" Gute Frage. 13 Jahre spaeter fehlt mir leider immer noch die Antwort.)
Es hat Jahre gedauert, bis ich hier in meiner eigenen Nachbarschaft (Ureinwohner z.g.T. schwarz) auch noch den Letzten ueberzeugen konnte, dass ich kein reicher, weisser Langzeiturlauber bin, der hinter ihrer Wohnung her ist, sondern vielmehr selber eine arme Sau, die froh ist, wenn IHR nicht die bezahlbare Wohnung abgenommen wird von den reichen weissen Langzeiturlaubern bzw. deren Repraesentativen in der Immobilienindustrie.
Denn hier in diesem angeblichen Melting Pot braucht man ein Label. Man muss in irgendeine Kategorie einordenbar sein, und wenn man das nicht ist, ist man schlimmstenfalls suspekt, bestenfalls ein Faehnchen im Wind. Also nix mit "als Misfit werde ich dort gar nicht auffallen bla bla bla"(meine Rede anno 1996). Misfits gibt es hier naemlich nicht wirklich. In irgendeine Kategorie muss man passen. Und die Leute der verschiedenen Kategorien haben generell sozial nix miteinander zu tun. In der U-Bahn und im Job schon, aber freizeitmaessig, oder sogar wohnmaessig? Eher nicht.
Noch nicht mal in der Schule. Die sogenannten oeffentlichen Schulen sind naemlich auch segregiert. Will heissen, sie sind z.g.T. mit schwarzen Schuelern bevoelkert. Mein Sohn stand immer als einziger "White Boy" heraus. Auch er musste jahrelang "beweisen", dass er nicht irgendein reicher Langzeiturlauber ist. Auch er musste sich von Lehrern verwunderte Fragen anhoeren, was ER denn in der Public School mache, weil er eben nach aussen in eine ganz andere Kategorie gehoerte. Und Kategorien sind das Nonplusultra in dieser City.
Nicht glaubwuerdig? Nun ja, wer mal zwei Jahre in NY zubringt und in Midtown Manhattan lebt und arbeitet, bekommt vielleicht den Eindruck, dass es hier bunt gemischt zugeht. Aber das ist truegerisch. Auch diese Personen gehoeren in eine Kategorie: Die Kategorie der Akademiker, die mal ein paar Jahre in NYC zubringen. Sie gehoeren in eine Kategorie, nur merken sie es nicht, weil sie nicht aus dem Midtown-Akademiker-Ghetto herauskommen bzw. sich heraustrauen, um zu sehen, was hier wirklich laeuft.
Der Freundeskreis meines Sohnes war schon immer bunt gemischt. Dadurch, dass er auf die Public School ging, sind die meisten seiner Freunde, die er noch von der Schule her kennt, schwarz. Nun ist es aber hier so, dass Schwarze und Weisse nicht sozial zusammen herumhaengen, geschweige denn befreundet sind. Wenn sie nicht durch eine Zweckgemeinschaft (Job) dazu gezwungen sind, miteinander auszukommen. Das war uebrigens in den angeblich so rassistischen Suedstaaten ganz anders. Dort war alles viel mehr gemischt. Und Nachbarschaften, die nach Herkunft abgegrenzt waren, gab und gibt es ausserhalb von NYC nicht.
Nun ging Sohn gestern abend mit ein paar Freunden aus. Seinen besten Freund kennt er schon viele Jahre, aus der Schule, und der ist zufaellig schwarz. Standen die beiden also herum, um noch an diesem auserkorenen Treffpunkt auf einen dritten Freund (hispanic) zu warten. Und das war suspekt. Selbst im ach-so-aufgeschlossenen (Greenwich) Village. Ein Schwarzer und ein Weisser haengen naemlich nicht sozial zusammen herum. Zumindest in NYC, dem kleinsten Dorf der Welt, nicht. Bestenfalls werden die als Schwule abgestempelt, was jetzt im Village nicht besonders schlimm waere. In manchen anderen Nachbarschaften allerdings schon. In Harlem kann man als Schwuler erschossen werden. In einer ur-irisch-katholischen Ecke in Queens oder Staten Island kann man von seiner irischen Sippe ausgestossen werden.
Was ist aber nun, wenn man gar nicht schwul ist, sondern nur als zwei Freunde - einer schwarz und einer weiss - an einer Strassenecke steht? Warum haengen die Zwei miteinander herum? Das ist doch nicht normal? Da muss doch ein Grund bestehen? Handelt es sich um einen Ueberfall? Nein, denn der Schwarze haengt ja dem Weissen nicht auf dem Ruecken. (Und wer hier wen ueberfallen haette, steht ja wohl ausser Frage!) Das kann also nur eines bedeuten:
Es handelt sich um einen Drug Deal!
Das war zumindest die Logik der zwei Polizisten, die sich ploetzlich genoetigt sahen, von den zwei jungen Maennern einzufordern, WAS DIE DENN DA WOHL TREIBEN WUERDEN! Und sich Ausweise zeigen liessen. Und sie von oben bis unten abtatschten, ob sie Waffen oder Drogen haetten. Aber das war nicht der Kicker. Der Kicker kam, als sie den Freund meines Sohnes in Handschellen legten, um ihn nach Drogen oder Waffen zu untersuchen. Weil er schwarz ist, und mit einem Weissen herumhing. Aeusserst suspekt, so eine Konstellation, die hatten also nur ihren Job gemacht. Wer wuerde sich nicht wundern ueber zwei Freunde, einer schwarz und einer weiss? Sowas ist doch nicht normal!
Dass sie sich dann hinterher tausend mal entschuldigten, nahm der Situation nicht die Menschenunwuerdigkeit, die dem jungen Mann angetan wurde. In Handschellen, weil schwarz und mit einem Weissen zusammen?
So, das war mal wieder eine kleine Lektion zum Thema "Tolle aufgeschlossene Weltstadt aus der Sicht von einer, die RICHTIG hier lebt".
Die Schule ist aus.
zum kotzen, demütigend, beleidigend (für beide) und mehr als ein Armutszeugnis für die "Aufgeschlossenheit" der Großnation.
ReplyDeleteBekomme Fremdschämen...
LG
Mel
Der dritte Kumpel dachte, er waere in einem schlechten Film gelandet, als er dazu kam, und einen mit "Haende hoch" und den anderen in Handschellen anfand...
ReplyDeleteEs ist uebrigens nicht das erste Mal, dass mein Sohn und sein bunt gemischter Freundeskreis dumm angemacht wurden, nur so was Extremes war bisher noch nicht passiert.
Hier in NYC grenzen sich die Menschen verschiedener Herkunft tatsaechlich noch freiwillig voneinander ab. Zwangs-Segregation gibt es ja zum Glueck schon lange nicht mehr. Aber es ist wohl ein menschlicher Trieb, unter "Seinesgleichen" sein zu wollen? Ich verstehe es nicht so ganz, denke schon lange darueber nach. Warum gibt es z. B. "Irische Nachbarschaften", in denen sogar ich suspekt waere, und ein Schwarzer ueberhaupt keine Chance haette? Und das sind Leute, die schon seit Generationen (angeblich) integriert sind. Bei ganz neuen Immigranten kann man das ja noch nachvollziehen - fuer den allersten Anfang, bis man integriert ist. Aber hier gibt es Nachbarschaften, da sind das durchaus schon lange "richtige" Amerikaner, leben aber freiwillig nur mit Leuten aehnlicher Herkunft zusammen. Heiraten nur Leute ihrer eigenen Abstammung, usw.
Ich habe die Theorie, dass es sich hier mal irgendwann so eingebuergert hat, dass man quasi als Schutz bei der eigenen Sippe bleibt, so nach dem Motto "gemeinsam sind wir stark in dieser kalten grausamen Stadt, und Aussenseiter sind suspekt". Und die Leute halten heute immer noch daran fest, nur wissen sie nicht mehr warum, es ist halt so, es ist Gewohnheit. Es wird nicht hinterfragt.
das ist auch in D so.
ReplyDeleteVielleicht ist es für sie bequemer und einfacher, man muss die neue Sprache nicht so wirklich lernen, man muss sich nicht mit einer anderen Mentalität auseinandersetzen - hat aber doch alle Annehmlichkeiten im neuen "Heimat"land ...
Aber so richtig versteh ich diese Ab- und Ausgrenzung nicht
Mel