Thursday, April 19, 2012

Ein Haeusschen im Gruenen?

Ob ich nicht schlau sein wolle, und meinen Vermieter verklagen, hat mich heute ein Handwerker, der oefter hier im Haus zu tun hat, gefragt. Dafuer, dass es kein ordentliches Gelaender an der Treppe vor diesem Wohnhaus gibt. Und vor allem dafuer, dass dort immer irgendwelche Leute auf der Treppe herumsitzen, um die man tanzen muss, und wegen welchen man noch nicht mal an das Eisenzaeunchen reichen kann, das auf den Mauern an der Treppe ist. Ich koennte hunderttausend Dollar herausschlagen, und mir ein Haeuschen im Gruenen leisten (in welcher parallell-Galaxie man fuer 100 Tausend ein Haus in den Suburbs vom Big Aeppel bekommt, konnte er mir allerdings nicht sagen). Dann muesse ich nicht mehr hier wohnen, meinte er ganz aufgeregt. (Ich wohne eigentlich ganz gerne hier, danke.) Nein, ich solle es rughig versuchen. Ich solle mal jemanden verklagen. Das taete doch jeder in NY. Und meine Chancen stuenden ausgezeichnet. Weil es eben normalerweise nicht erlaubt sei, dass da Leute auf Eingangstreppen herumlungern, und es die Verantwortung des Vermieters sei, das abzustellen. Dass die Eingangstreppe haette frei sein muessen, als ich an dem Abend vom Ausgehen heimgekommen bin. Und der Vermieter dafuer verantwortlich sei.

Im Prinzip hatte der Handwerker natuerlich recht. Aber so faul wie ich bin, wuerde ich mir solchen Stress sicher nicht antun. Nicht, dass mir der Gedanke nicht selbst schon gekommen waere. Aber ich habe ihn wieder verworfen. So eine Verklagung kann sich 2-3 Jahre hinziehen. Und ich habe wirklich nicht den Nerv dafuer. Und sicher auch wenig Chance. Ich hatte ja keinen finanziellen Ausfall, weil ich durch meinen Arbeitgeber abgesichert bin. Ich koennte hoechstens auf Schmerzensgeld klagen. Aber mein Vermieter ist kein internationaler Konzern wie McDonalds oder so was. Er ist ein kleiner Privattyp, nix besonderes, und leidet eh schon an Geldnoeten. Von dem wuerde ich bestimmt nicht viel bekommen. Wenn ueberhaupt was. Denn er ist zufaellig Anwalt von Beruf, und sitzt daher eh am laengeren Hebel. Kennt sicher saemtliche Tricks. Dieses Haus hat er vor ein paar Jahren als Investment gekauft, mit dem Plan uns alle "herauszubekommen". Daraus wurde dann nichts. Er wurde vielmehr dazu verurteilt, so manche Arbeit an diesem Haus zu verrichten ... FUER DIE MIETER, DIE JETZT DRIN SIND. Nix mit "die kriege ich raus, renoviere, und baue es in Luxuswohnungen um". Nein, er haengt jetzt mit uns mietgeschuetzten Mietern fest, und das ganze schoene Geld, das er fuer die Sanierung geplant hatte, muss er jetzt fuer uns mietgeschuetztes Gesindel ausgeben, mit Verlust. Der beisst sich taeglich in den Arsch. Sicher koennte ich ihn verklagen. Aber bei dem gaebe es nicht viel zu holen. Das ist mir der Stress nicht wert. Jemandem, der weniger passiv und faul, und mehr geldgierig ist, als ich, waere es vielleicht den Versuch wert. Aber ich habe Bequemlichkeit und Ruhe haben wollen in den Genen.

Wenn sich ueber lange Zeit herausstellt, dass ich meine rechte Hand auf Dauer nicht mehr normal benutzen kann, werde ich noch mal drueber nachdenken. Aber nicht jetzt schon.

Der Handwerker hat durchblicken lassen, dass er mich fuer schoen bloed haelt, weil ich bestimmt "absahnen" koennte aufgrund des Zustandes der Eingangstreppe. Er hat traurig den Kopf geschuettelt ueber meine Borniertheit, als er ging. Ich kann's ihm nicht vergelten. Ihm ist sicher noch niemand begegnet, den die Vorstellung von einem Haeuschen im Gruenen nicht in unkontrolliertes Verklagen von einem "Reichen" stuerzen wuerde. Sorry, aber ich hole mir meine Orgasmen anderswo. Nix fuer ungut.

Auf jeden Fall stelle ich zunehmend fest: Eine sichtbare Verletzung fasziniert. So viele und unterschiedliche Weisheiten bekommt man sonst selten im Leben. Am Anfang hat mir mein Chef am Telefon eine Standpauke gehalten, dass ich mich endlich der MS anpassen muesse. Was sicher schwer waere, da ich im Grunde "noch ein junger Mensch" sei. Es daher nicht gewoehnt sei, mich behutsam zu bewegen. Dass ich mich aber mit dem Gedanken anfreunden muesse, mich beim Treppensteigen festzuhalten, und eventuell langsam ueber einen Gehstock nachdenken sollte. Anstatt nur herumzuhuepfen, wie ich es als "noch junger Mensch" gewoehnt bin. Mit MS ist es nun einmal nicht mehr so wie vorher bla bla bla. Der hat mir sonstwas gepredigt. Der "junge Mensch" hat das alles voll ausgeglichen. Auch wenn im selben Satz ein "Gehstock" erwaehnt wurde. Die Eitelkeit gewinnt eben letzten Endes immer.

Die Reaktionen sind so unterschiedlich, wie die Leute. Fuer die Zivilcouragigen, Nicht-Weg-Sehenden bin ich ein Misshandlungsopfer (Krankenschwester, gestriger Eintrag). Fuer die Geschaeftstuechtigen bin ich ein Gerichtsurteil entfernt von einem Haeuschen im Gruenen (strebsamer Handwerker mit eigener kleiner Firma). Fuer die Realistischen bin ich ein Depp, der nicht aufpasst und sich ordentlich festhaelt, wenn er mit MS Treppen besteigt (Chef). Letzteres triffts wohl am Realistichsten.

Langsam wirds mir langweilig. Vier Wochen zu Hause herumlungern (mit gelegentlichem Ausflug zum Orthopaeden, wie aufregend) bei wunderschoenem Fruehlingswetter hat zwar was, aber irgendwann will man wieder am Leben teilnehmen. Die Operation hatte ich gestern vor zwei Wochen. Jetzt binde ich meine rechte Hand wieder langsam ein in das taegliche Leben. Es geht einigemassen. Ich darf nur nicht daran denken, dass im Gelenk ein Stueck Metall mit ganz vielen Schrauben ist, dann wird das schon. Ich will mich wieder mal schoen anziehen. Schminken. Meine Haare stylen (lasse sie immer noch wachsen, inzwischen sieht es ganz okay aus). Wie ein Mensch aussehen. Das ist nur leider alles so schwer, weil ich mit der rechten Hand noch kaum was machen kann.

Am Mittwoch gehe ich wieder in den Saftladen, es sei denn, noch was Unvorhergesehenes passiert vorher. Ich freue mich fast darauf. Auf die Sprueche bin ich vorbereitet. Habe ja schon ein weites Spektrum an Kostproben erlebt. Und wie ich mir Ruecksichtnahme einfordere, weiss ich ja inzwischen, dank der MS. Und ungleich der MS wird man mir das gebrochene Handgelenk ansehen. Vor der U-Bahn hab ich allerdings noch ein bisschen Schiss. Vor den Treppen. Wo alle schubsen, weil sie annehmen, dass ich normal funktionieren kann. Aber wenn's gar nicht geht, wird man mir einen Firmenwagen bezahlen. Deshalb bleibe ich schon so lange im Saftladen. Einen Job, der einem solche Benefits gibt, schmeisst man nicht weg. Was nuetzt es mir, wenn ich irgendwo meine kreative Ader entfalten kann, aber im Notfall nicht abgesichert bin? Bei so was bin ich ganz die spiessige deutsche Beamtentochter, minus Haeuschen im Gruenen. Da scheisse ich echt drauf. Beamtentochter mit mietgeschuetzter Wohnung in Harlem. Ein Mensch voller Widersprueche. "Ach KIND, kann man sich denn da AUF DIE STRASSE TRAUEN?!?" "JA, Oma, hoer auf, dich im Grabe zu drehen. Die STRASSE ist sicher, nur beim Wieder-Rein-Gehen kann man sich leider manchmal auf der Treppe das Handgelenk brechen".

Vier Wochen nach dem Bruch, und zwei Wochen nach der OP habe ich jetzt einen ganzen Roman geschrieben. Mit beiden Haenden. Wenn's nicht ordentlich verheilt, bleibt mir immer noch die Moeglichkeit jemanden zu verklagen. Falls ich gewinne, kaufe ich jedes Kleidungsstueck in Groesse 44, das ich auftreiben kann. Und eine ganze Menge Buecher. Und lasse mal wieder mein Botox erneuern. Der Rest wird fuer meine alten Tage auf die hohe Kante gelegt. Kein Haeuschen im Gruenen. Das macht nur Arbeit und Stress. Wenn ich schon die Erwachsenen in meinem Alter von Grundstueckssteuern und so nem Scheiss reden hoere.... warum tut man sich das an. Uaaaahh!

1 comment:

  1. freut mich, dich wieder halbwegs gesund und munter zu wissen ;)
    [ich hatte nach einem Unfall - Bein kaputt - noch lange einen Stock dabei, auch wenn ich ihn nicht zum Gehen benötigte, nur um zu zeigen, HE! ich kann nicht so schnell, schubst mich gefâlligst nicht von der Rolltreppe, ihr Deppen... im Zweifelsfall hätte ich damit auch jemanden schlagen können ;)]

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