Saturday, January 23, 2010

Ich bin nicht Roswitha K. aus Wanne-Eickel

EINE kleine Sache aendern, und das kann schon einen Riesenunterschied machen!

Wer schon jemals im Leben eine Frauenzeitschrift oder ein Selbsthilfebuch aufgemacht hat, hat zweifelsohne mitbekommen, dass DAS die Art und Weise ist, ein Leben, das einen zunehmend ankotzt, aufzupeppen!

Und warum auch nicht? Ist doch ein guter Rat. Man will ja schliesslich den Leuten keine dummen Gedanken in den Kopf setzen. Also - alles hinschmeissen und ihre Pflichten vernachlaessigen, das will man auf keinen Fall empfehlen, nein. Muss ja auch nicht sein, man kann ja mal im Kleinen anfangen. Aendere EINE Sache, und du wirst das Licht sehen!

An dieser Stelle fehlt dann meistens nicht das obligatorische, atemberaubend originelle BEISPIEL AUS DEM ECHTEN LEBEN, das illustrieren soll, WIE DAS GEHT: Roswitha K. aus Wanne-Eickel erinnert sich im stattlichen Alter von 55 daran, dass sie.....*trommelwirbel*.... DOCH FRUEHER SO GERNE *GEMALT* HAT. Sie geht auf den Speicher, nimmt sich einen Strick mit... nein, nicht wirklich, das hat aber gerade so schoen gepasst, und waere sicher auch empfehlenswert.^^ Also - sie geht auf den Speicher, kramt aus Kisten, die seit 30 Jahren nicht mehr geoeffnet wurden, alte Zeichnungen heraus. Ja, sie hatte mal Talent. Talent und Interesse. Aber... *nochmal trommelwirbel* irgendwie ist das dann IN DEN PFLICHTEN DES ALLTAGS UNTERGEGANGEN, und jetzt will sie dieses Talent wieder ausgraben, dabei muss sie keinesfalls ihren Alltag vernachlaessigen, sondern kann ja nebenbei wieder mit dem Malen anfangen.

Warum es immer Malen ist bei diesen herzerwaermenden Stories, weiss der Geier. Gibt es wirklich so viele Maler? Dann bin ich froh, dass ich keiner bin, denn die Konkurrenz scheint doch recht brutal. Meine Malkuenste fingen an und hoerten auf mit ein oder zwei Scheisse-Kunstwerken an der Wand, als ich ca. eineinhalb Jahre alt war.

Ich brauche aber ernsthaft eine Veraenderung in meinem Leben, und ich habe auch eine Kreativitaet, die irgendwann in meinen NY Jahren eingeschlummert ist. So viel fuer die Lebensweisheit, NY sei genial, um Kreativitaet auszuleben. Diese Luege habe ich auch mal geglaubt. Die romantische 70er Jahre Vorstellung von den hungernden Kuenstlern. Die den Kapitalismus ablehnen, aber intellektuell ganz oben stehen. Heute haben sich die Kuenster alle dem Kapitalismus verhurt. Die Nische, in die ich einschluepfen wollte, und mein Buch schreiben wollte, gab und gibt es nicht mehr. Stattdessen darf ich seit 13 Jahren mit den ungebildeten Arbeiterklassen (dass es diesen Audruck nicht mehr gibt, ist mir scheissegal, er drueckt es am besten aus) kuscheln, aeh kuschen.

Erfolgreich wird hier nur, wer es schon war, bevor er hierher kam.

Ich habe die Schnauze voll. Mein Alltag ist fast unertraeglich. Ich hangele mich nur noch von einem arbeitsfreien Tag zum naechsten nach dem Motto Augen zu und durch. Das ist doch nicht der Sinn der Sache, das kann's doch nicht sein, oder???

Ich brauche einen Neuanfang, kann den aber realistisch nicht inszenieren. Also koennte ich es doch so machen wie Roswitha K. aus Wanne-Eickel, oder? Mal nebenbei Dinge tun, die mein Selbstbewusstsein wieder etwas aufbauen, aber ohne gleich ALLES HINZUSCHMEISSEN.

Nein. Das einzige, was mich retten koennte, waere EIN KLARER BRUCH. Keine Flickerei. Keine Kompromisse.

Aber das geht nicht. Ich weiss zu viel. Ich habe heute Angst vor Risiken, denn NY hat mein Selbstbewusstsein gebrochen. Ich denke manchmal, hierbleiben wuerde ich schon gerne, denn NY hat viele Vorteile. Aber hierbleiben und anders leben. Anders als jetzt. Aber das scheitert an einigen Dingen. Und "mal was Kleines aendern, was in meiner Macht steht"? Das ist doch Bloedsinn. Ich kann doch nicht einen luftleeren Raum vom Rest meines Lebens abtrennen, worin ich dann meine "echte" Seite voller Selbstbewusstsein ausgrabe und auslebe, waehrend in den restlichen 90% meines Lebens taeglich mein Geist, mein Ego, mein Witz, mein Selbstbewusstsein gebrochen wird.

Die "Experten" - Ratgeber-Autoren und Psychologen - denken sich so einen beleidigenden Scheiss aus, weil Gretchen Mueller den Geldbeutel aufmacht, wenn man ihr raet, dass sie angeblich authentisch sein kann, ohne dafuer wirklich riskieren zu muessen, dass jemand boese werden koennte. Und dafuer bin ich mir zu gut. Entweder ganz oder gar nicht. Wenn das im Moment (oder auch fuer den Rest meines Lebens) "gar nicht" bedeuten soll - dann ist das halt so.

7 comments:

  1. Liebe hsm,
    habe vorhin gelesen, dass im Jänner die Toleranzgrenze im Job weit niedriger ist als sonst (bei mir auch!) und dass man die "Neujahrs-Power" für einen Neuanfang nutzen soll. Nichts zu ändern sei auch eine Entscheidung, aber manchmal eine schlechte ... Nur ein Rat unter vielen oder könnte etwas Wahres dran sein?
    Egal wie du dich entscheidest, das mit dem Buch solltest du auf alle Fälle versuchen!
    Grüße nach N.Y. von Karin

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  2. Wow, ich bewundere wie selbstkritisch und einsichtig Du Dich und Deine Situation analysierst. Das ist mir auch in frueheren Posts schon aufgefallen. Vielleicht waere ja ein Jobwechsel das richtige? Ich bin ja der Ansicht, man sollte unter Inkaufnahme von Jobwechseln entweder auf seinen Traumjob hinarbeiten und dann darin Erfuellung finden, oder aber - wenn das nicht moeglich ist - eben irgendeinen doofen Job machen der einem das Leben finanziert und sich dann privat das Leben mit Hobbys u.a. Interessen so interessant und erfuellend wie moeglich machen. Ob das nun Malerei oder irgendetwas anderes ist. Vielleicht findest Du ja auch etwas passendes? Schreiben kannst Du jedenfalls und ich werd in Zukunft auch sicher oefter hier hereinschauen.
    Eine neue Leserin

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  3. Hmmm, ich würde dich gern ermutigen, etwas zu ändern. Ich hab so was ähnliches wie du gelebt, und war irgendwann soweit, dass ich hoffte, mich würde bei meinen waghalsigen Fahrradaktionen jeden Morgen doch irgendwann ein Bus überfahren. Ich hab gekündigt ohne Perspektive. Aber diese Leere war wohl nötig, um was neues Anderes zu finden. Ich will nicht sagen, dass ich ununterbrochen glücklich bin in diesem neuen Leben, aber ich bin lebendig. ICH BIN DA. Während ich mich vorher wie ein langsam verwesendes Etwas fühlte. Wenn du magst, können wir darüber mal privat mailen.

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  4. Ich denke, um einen ungeliebten Job an den Nagel zu hängen, ist es nie zu spät. Sich verbiegen zu lassen, ist schlecht, für Körper und Seele.
    Ich bin wirklich nicht die Mutigste aber ich vertraue auf folgenden Satz: "Wo Platz frei wird, entsteht Raum für Neues".
    Also, trau dich und such dir einen Job, der dir Freude macht, der Herausforderungen an dich stellt und bei dem du deine Fähigkeiten (aus)leben kannst. Das Leben hält viele Überraschungen für uns bereit, auch positive.
    Und ... schreiben kannst du in der Tat sehr gut!
    Gruß vom Ammersee - Renate

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  5. Hallo Leute, vielen Dank fuer die netten Kommentare. Das ist man in diesen Gefilden normalerweise gar nicht gewoehnt.^^ Ich werde mich noch zu einigen Punkten naeher aeussern, habe aber im Moment keine Zeit, weil der Saftladen ruft...

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  6. Einen neuen Job suchen.... ja, das laege auf der Hand, das waere die logischste Loesung, aber will ich das wirklich? Ich hoffe immer noch, dass das Ganze eine voruebergehende Laune ist, denn lange Zeit WAR dieser Job doch mein Traumjob, er passte ideal zu mir, sonst haette ich es gar nicht so lange ausgehalten. Impulsive Entscheidungen, Dinge hinschmeissen, die man dann hinterher bereut (zumindest teilweise)... davon kann ich ja ein Lied singen, und jetzt bin ich mir etwas bewusster darueber, was man Gutes hat im Leben, auch wenn es einen manchmal ankotzt. Die einzige Entscheidung von der ich nie auch nur einen kleinen Teil bereut habe, war, meine Ehe zu verlassen. Mein Leben waere nicht so bunt verlaufen, wenn ich es als jemandes "Sidekick" (deutsch?) verbracht haette, ohne selbstaendige Identitaet, aber das ist eine andere Sache.

    Den Job als puren Brotjob ansehen, und meine Persoenlichkeit in meiner Freizeit ausleben - das kann ich nicht, darum geht es ja in dem Eintrag. Erst mal weiss ich gar nicht genau, was ich will, ich weiss nur, dass mich die Situation im Moment ankotzt. Aber eine konkrete Alternative, der ich nachsteigen koennte, habe ich deswegen noch lange nicht. Danke uebrigens fuer die Komplimente, dass ich gut schreibe. Auf Deutsch schreibe ich meiner Ansicht nach ziemlich grottig (Grammatik...), aber offenbar faellt's nicht so auf. Frueher war ich sehr viel kreativer, sogar Mitte der 90er Jahre noch (auf Englisch natuelich).

    Der aktuelle Job - jahrelang schaetzte ich mich gluecklich, denn er war wie massgeschneidert fuer meine Persoenlichkeit, und ich war mir dessen auch bewusst: Eine Position, die einerseits nicht soooo viel Verantwortung (sprich Stress) hat, aber mir andererseits viel Freiheit laesst, vor allem Freiheit, Dinge innerhalb meines Arbeitsbereiches selbst zu entscheiden, und auch selbstaendig von anderen einfordern, was ich brauche, ich kam mir immer viel autoritativer (ist das ein Wort? Deutsch mal wieder...) vor, als ich offiziell jemals war. Gut, ueber Frau Z. und solchen Scheiss habe ich auch da schon gejammert, aber eher auf lachende, als auf verweifelte Art. Ich wurde nicht beobachtet, bevormundet. Ach, das ist alles vereinfacht zusammengefasst jetzt. Sagen wir einfach, die Grenzen waren fluessig, ich hatte nie das Gefuehl, dass ich fuer den Job meine "echte" Persoenlichkeit aussen vor lassen muesste, sondern sie einbringen konnte. Im Moment komme ich mir dagegen vor, als wuerde mir und der Person, die ich wirklich bin, die Luft abgedrueckt.

    Ich schicke das besser mal ab, und schreibe einen Teil 2, ich traue diesem Ding nicht (mein Comp. daueert noch bis Ende der Woche) bevor es weg ist...

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  7. Teil 2

    Eine Auszeit waere natuerlich das Idealste: Mal weg, aber ohne gleich alles hinzuschmeissen. Ich bekomme im Jahr 4 Wochen Urlaub, zusaetzlich noch verschiedene andere bezahlte "Frei"-Tage, die teile ich mir auf, aber irgendwie ist es nie laenger als eine Woche-10 Tage, und gerade, wenn ich anfange aufzuleben, muss ich wieder zurueck. Das hab ich ja schon oefter angesprochen.

    Eine laengere Auszeit, einfach mal so? Natuerlich schwebt mir der Gedanke vor, aber, wie ich schon mal vor ein paar Wochen geschrieben habe: Mir ist jetzt zum ersten Mal so richtig bewusst geworden, DASS ICH OHNE ZU ARBEITEN NICHT LEBEN KANN. Klar, theoretisch weiss man das. Aber fuer mich war es nie ein Thema. Einen Job ausueben gehoerte einfach zum Leben dazu, basta, ohne war man irgendwie nicht komplett als Mensch. Dass man es des Geldes wegen sowieso muss, das war nie Thema. Fazit: Ich kann mir keine Auszeit nehmen, auch keine kurze, WEIL ICH LEBEN MUSS. Gross gespartes habe ich nicht, denn auch wenn es hierzulande normal zum Leben dazugehoert, eigenverantwortlich zu sparen, hat das bei mir irgendwie nie geklickt... die deutsche Beamtenmentalitaet meiner Kindheit sitzt zu tief. Mensch, wie unabhangig koennte ich jetzt sein, wenn ich die ganzen Jahre gespart haette.

    Ich dachte schon darueber nach, mich mit Burnout diagnostizieren zu lassen. Mal 6 Monate Ruhe, aber dann wieder in den gleichen Job zurueck mit neuem Mut, neuer Einstellung, bla bla bla. Aber wie saehe das realisisch aus? Erst mal will ich mir nichts mit Arztkram anfangen. In die Spirale will ich nicht kommen, denn ich will weniger Stress, nicht mir noch neuen dazuholen. Und die wuerden einem das nicht einfach so ausstellen, ohne einen erst mal auf den Kopf zu stellen, "um koerperliche Ursachen auszuschliessen bla bl bla". Ich waere in meinem Alter und ohne jegliche vorzuweisende Vorsorgeuntersuchung ein gefundenes Fressen. Vom Feuer in die Pfanne, oder wie der Ausdruck heisst. Nein, das brauche ich nicht.

    Und Burnout? Wuerden die mir auf der Arbeit das ueberhaubt abnehmen? Die sind ja so unsensibel, denen faellt gar nicht auf, wie beschissen es mir geht. Und die empfinden das alles auch nicht so als Stress. Die werden gerne gegaengelt, leben unter "Vorschriften" geradezu auf. So sind die von Kindheit an gestrickt. Gibt ihnen ein Gefuehl von Sicherheit. Selbstaendiges Denken und Handeln und Depression wenn das unterdrueckt wird? Wenn die Welt nicht auf die eigenen Beduerfnisse eingeht? Das kennen die nicht. Es waere schwer, denen glaubhaft zu machen, warum ich an Burnout leide.

    Vielleicht ist das alles ja nur eine Schikane von mir. Gestern habe ich gerade gedacht, ich fuehle mich so richtig geborgen. Moechte mich gar nicht dem Stress einer neuen Situation aussetzen. Aber dann wieder diese anderen Momente, die ganze Unterdrueckung, ach ich weiss im Moment auch nicht. ...

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